Zugegeben, ich bin stolz auf mich. Einen Orden sollte man mir verleihen. Erstens, weil ich das erste und einzige sprechende Hotel der Welt bin. Und zweitens, weil ich den Code geknackt habe, das Geheimnis gelüftet und das ewige Rätsel endlich lösen konnte! Jahrelang – ach ganze Dekaden – habe ich nachgedacht. Hier ist sie also: Die Essenz meines Grübelns, die güldene Formel des guten Südtiroler Geschmacks, die fünf Pfeiler der hiesigen Ess- und Trinkkultur. Bevor ich loslege, holt euch Schüttelbrot und Wein und Speck und macht es euch gemütlich. Falls ihr weder Speck noch Wein noch Schüttelbrot habt, bucht am besten gleich eine kleine Vergnügungsfahrt zu mir ins Schnalstal. Hier haben euch meine Hofleute praktischerweise ein paar Paktelen zusammengeschnürt.
#1: Tradition. Tradition. Tradition.
Stolz sind sie, die Südtiroler. Und – innen. Auf vieles, was war und die, die vor ihnen an Ort und Stelle gelebt und gearbeitet haben. Dieses Gefühl, nicht irgendwo hin, sondern genau an diesen, einen wunderschönen Platz auf dieser Welt zu gehören, macht was mit den Menschen. Es manifestiert sich auch in den Töpfen und auf den Tellern. Als sensorische Hommage an die Vergangenheit. Und so wird sorgsam bewahrt, was sich zu bewahren lohnt: Alte Gemüsesorten. Urgroßmutters Rezeptesammlung. Das Wissen, wie was wann und wozu aufgetischt wird. Daheim. Im Wirtshaus. Am Festplatz. Zu Ostern. Zu Weihnachten. Und dazwischen.
#2: Wir haben unsere Höhen und Tiefen.
Zwischen dem Bozner Talkessel und dem Gipfel der Weißkugel liegen mehr als 3.400 Höhenmeter. Da tut sich ziemlich viel Platz auf. Für Weinberge und Gemüsegärten und Almwiesen und Viehweiden. Der Facettenreichtum an Höhen- und Wetterlagen, die Varianz der Vegetationszonen Südtirols ist sagenhaft. Und so gedeiht hier vieles. Und vor allem viel Gutes. Im großen Stil und im feinen Kleinen. Damit die Geschmacksknospen himmelhoch jauchzen.
#3: Hier schlagen viele Herzen in einer Brust.
Südtirol ist das schönste Bergreich der Alpen, ein Tor zum Süden und eine Brücke in den Norden. Drei Landessprachen gibt es und tausend Meinungen darüber, wie sie denn wirklich ausgeformt sei, die Südtiroler Seele. Unser Land ist ein Schmelztiegel, in dem es sich hervorragend über den Tellerrand hinauskochen lässt. Und so schmeckt es heute nach Sonne und Süden und morgen nach Gipfelwind. Pasta und Plenten. Knödel und Antipasti. Nie Widersprüche. Sondern wundervolle Teile eines köstlichen Ganzen.
#4: Jedes Tal ist ein eigenes Universum.
Was hier im Schnalstal so schmeckt, hat im Ahrntal einen ganz anderen Charakter. Und oben auf der Seiser Alm entdeckt der geneigte Gaumen wieder differente Nuancen. Nicht nur in der Sprache gibt es Dialekte – auch in der Küche. Jede Region, jedes Tal und manchmal sogar jedes Dorf hat seine Spezialitäten und kulinarischen Schätze. Ein Reichtum von unbezahlbarem Wert!
#5: Wir haben einen Ruf zu verlieren.
Hochmut kommt vor dem Fall, heißt es. Aber die Südtiroler und -innen bilden sich zurecht etwas ein auf ihre Kochkunst. Wer hierzulande schlecht essen will, muss lange suchen. Die kompromisslose Hingabe für den guten Geschmack und die Passion für exzellente Lebensmittel treibt an. Zu neuen Höchstleistungen. Selbst in den bescheidensten Stuben. Apropos: Kennt ihr schon die meinen? Dort servieren euch meine Hofleute ausgezeichnetes Südtiroler Essen, zelebrieren die echte Gasthauskultur und frönen der hohen Kunst des Weintrinkens. In diesem Sinne: Auf euch. Und den guten Geschmack Südtirols!